In Japan, so steht es gerade im Wirtschaftsmagazin brand eins, ist der Kunde nicht König. Dort sagt man, »der Kunde ist Gott«. In Japan stehen die Verkäufer quasi Spalier, um den Kunden im Geschäft willkommen zu heißen und zu verwöhnen. Das klingt gut.

In den letzten Tagen habe ich mich zweimal mit dem Thema Kundenservice befasst, allerdings nicht als Online-Marketer, sondern als Kunde. Von meinen eigenen Kunden, kleinen und mittelständischen Unternehmen in B2C und B2B, höre ich immer öfter, dass sie ihre Aufträge weniger über Preis oder Leistung bekommen, sondern durch vertrauensvolle und persönliche Beziehungen und aufmerksamen, proaktiven Service. Das ist ein Instrument zur Kundenakquise und -bindung, das jeder nutzen kann. Aber nicht jeder tut das. Am Beispiel eines E-Book-Readers und abgefahrener Reifen schildere ich mal meine aktuellen Erfahrungen.

Kann Kulanz: der Versandhaus-Riese

Nach zweieinhalb Jahren ist der Kindle meiner Frau kaputt. Er vergisst ständig seine Einstellungen. Der Telefon-Support von Amazon kann nach langem Dialog keine Lösung finden und bietet an, das Gerät kulant auszutauschen. 18 Stunden später ist der neue E-Book Reader geliefert. Das würde ich als sehr sympathischen Kundenservice bezeichnen. Aber es kommt noch besser.

Meine Frau schickt den alten, kaputten Kindle wie vereinbart an Amazon zurück. Drei Tage später bekommt Sie Nachricht von Amazon über eine Gutschrift von Euro 20,99. Der alte Kindle war mit einer Skin, also einem dekorativen Aufkleber verziert. Der ist beim Retouren-Management bemerkt und der Kaufpreis ohne unsere Aufforderung ersetzt worden. Das hat uns umgehauen.

Wer heute Waren über das Internet verkauft, wird unweigerlich am Kundenservice der großen Online-Versandhäuser gemessen. Jeder von uns hat schon bei Amazon, Cyberport oder Zalando gekauft und sich über schnelle Lieferung oder reibungslose Rücknahme gefreut. An diesen Komfort gewöhnt man sich schnell, und umso übler stößt uns auf, wenn wir das nächste Mal in einer servicefreien Kaufhausetage nach einem Hosenverkäufer suchen oder die E-Mail-Anfrage bei einem Lieferanten nicht beantwortet wird.

Licht und Schatten: die lokalen Reifenhändler

Ich brauche vier neue Reifen, 235/60 R16 100H für ein SUV. Weil ich lange Zeichenketten nicht gerne am Telefon durchgebe, schreibe ich meinem alteingesessenen Reifenhändler, der mich persönlich kennt, eine E-Mail mit der Bitte um ein Angebot. 30 Stunden später habe ich noch keine Antwort. Also fordere ich das gleiche Angebot bei seinem Wettbewerber zwei Straßen weiter an, einer Filiale von Pneumobil (80 Standorte in Deutschland). Nach nur 20 Minuten ruft mich ein Mitarbeiter an. Er macht mir einen guten Preis, und ich bestelle die Reifen bei ihm. Aus seiner schnellen Reaktion auf meine Anfrage schließe ich, dass auch die Montage schnell und reibungslos ausgeführt wird.

Offensichtlich haben die IT-Dienstleister von Pneumobil die Mail-Server so konfiguriert, dass die E-Mails mehrmals täglich zugestellt werden. Das muss ich meinem ehemaligen Reifenhändler auch einmal empfehlen.

Zwei Erkenntnisse nehme ich aus diesen Erfahrungen mit:

  1. Nicht jeder große Konzern nutzt sein Call-Center als Brandmauer, um sich lästige Reklamationen und Anfragen vom Leib zu halten.
  2. Lokale, stationäre Geschäfte können sich mit ihrem Kundenservice irgendwo zwischen Ignoranz und Diensteifer positionieren.
    Diensteifer hat den besseren ROI.