Virtuelle Konferenzen sind nicht das gleiche wie Präsenzveranstaltungen. Sie funktionieren aber besser, als man vielleicht glaubt. Seit zehn Jahren besuche ich regelmäßig Barcamps und Konferenzen, um mich weiter zu bilden und mein Kolleg*innen-Netzwerk zu vergrößern. Mit der Corona-Pandemie wurden ab März 2020 aber sämtliche Events abgesagt. Zum Glück improvisierte meine Szene digital kompetenter Beraterinnen, Blogger und Medienprofis quasi aus dem Stand virtuelle Ersatzveranstaltungen, die zwei wesentliche Funktionen klassischer Konferenzen überraschend gut abbilden konnten: Wissen zu vermitteln und den informellen Austausch zu pflegen.

Als Plattform für diese virtuellen Events dienen Videokonferenzsysteme. Das Tool der Stunde war Zoom, das aufgrund seiner zugänglichen Usability auch weltweit an vielen Heimarbeitsplätzen genutzt wird. Zoom besticht zudem durch eine sehr gut Performance der Bild- und Tonqualität und erfordert von den Nutzern, die zu einer Videokonferenz eingeladen werden, weder ein eigenes Nutzerkonto noch eine Software-Installation.

Von Präsenz zu Online in einer Woche

In diesen Pioniertagen der Online-Konferenzen habe ich an drei virtuellen Veranstaltungen teilgenommen: Zuerst am Corporate Learning Camp #clc20digital, das seine beachtlichen 95 Sessions frühzeitig in einem öffentlichen Google Doc als Sessionboard geplant hatte. Darin konnten die Teilgeber*innen die Zugangs-Links der von ihnen geplanten Videokonferenzen eintragen. Dabei wurden verschiedene Konferenzsysteme genutzt, unter anderem Adobe Connect, Cisco WebEx und Zoom. Einige dieser Plattformen sind eher hochpreisig für den jeweiligen Host, wobei offensichtlich auch Unternehmens- und Hochschul-Accounts von einigen Sessiongebern genutzt werden konnten. Da das virtuelle Format noch Neuland für viele Teilnehmer war, konnten sich Videokonferenz-Veteranen als so genannte Technik-Kümmerer eintragen und beim Hosten einzelner Sessions oder ganzer Tracks helfen. Die dem Barcamp-Thema inhärenten didaktischen Kompetenzen der Teilgeberinnen spiegelten sich dann angepasst ans virtuelle Format in den Sessions wieder: „Wie überträgt man das Lernen in den digitalen Raum?“ gehörte zu den zentralen Fragen, die dort verhandelt wurden.

Beim Barcamp Ruhr #bcruhr13 im Essener Unperfekthaus wäre ich mit Bambule® eigentlich Basis-Sponsor gewesen. Die Präsenzveranstaltung wurde in den August verschoben, ein digitales Ersatz-Event war nicht geplant. Trotzdem ergab sich aus einem unverbindlichen Zoom-Meeting, das der Mitveranstalter Berthold Barth am Morgen des ersten ausgefallenen Barcamp-Tages startete, eine beeindruckende digitale Barcamp-Improvisation mit einigen Dutzend Teilgeber*innen. Weil es keinen organisatorischen Vorlauf gab, beschränkte sich die Konferenz auf einen einzigen Track, der ganztägig von verschiedenen (Co-) Hosts moderiert wurde. Teilnehmerinnen protokollierten wichtige Inhalte der Sessions in einem Cloud-Dokument. Nicht zuletzt, weil sich die Teilnehmer von früheren Veranstaltungen im Real Life gut kannten, entstand eine sehr emotionale, fast schon intime Atmosphäre. Sie war aber sicher auch eine Folge des noch frischen Corona-Schocks, der sich in der vertrauten Barcamp-Hood ein wenig aufarbeiten ließ.

Die Blog4Business von Daniela Sprung ist ein Hybrid aus klassischer Konferenz und Barcamp. Keynotes wechseln sich mit mehreren Session-Tracks ab. Daniela hat ihr Präsenz-Event innerhalb weniger Tage in die virtuelle Veranstaltung #B4Bdigital20 überführt und sich dabei auch dem Konzept eines Sessionboards als Google Doc bedient. Neben einem durchlaufenden „Lead“-Meeting, in dem auch die Keynotes stattfanden, hosteten die Session-Geber*innen ihre Meetings selbst in Zoom. Nach den oder auch während der Sessions konnte man in den Lead-Track zurückkehren und ihn als informellen Pausen- und Ankerraum nutzen. Auch dieses Digital-Event hinterließ bei mir einen soliden Eindruck. Es profitierte wie die anderen beiden Veranstaltungen von der Konferenzerfahrung der Veranstalterin und dem konstruktiven Improvisationsgeist der Teilnehmer.

Die virtuelle Konferenz: Das Format der Generation Corona?

Dass Online-Meetings und virtuelle Konferenzen das soziale Miteinander im echten Leben nicht ersetzen, ist eine Binse. Hinzu kommen die Beschränkungen des Mediums. Schon beim Versuch, mehrere gleichzeitig einsetzende Zwischenfragen in einer Videokonferenz zu identifizieren und zu moderieren, fällt die fehlende dritte Dimension und die daraus resultierende Unmöglichkeit einer souveränen Feldübersicht auf. Auch die eingeschränkt übermittelte Körpersprache der „Talking Heads“ macht die Kommunikation im Video mühsamer. Trotzdem hat die virtuelle Konferenz ihre Stärken, die über gesparte Wege hinaus geht. Speaker und Teilnehmer können flexibler getauscht werden und spontaner dazu kommen. Ein geteilter Bildschirm mit Präsentationsfolien ist ermüdungsfreier zu lesen als die beste Beamer-Projektion. Die Veranstaltung kann mit Bordmitteln der Plattformen oder Endgeräte aufgezeichnet und dokumentiert werden. Man kann jederzeit unbemerkt eine Flasche Rotwein öffnen.

In Zukunft werden nicht alle Konferenzen und Barcamps, aber sicher sehr viele, als Online-Events durchgeführt. Wer das unternehmerische Risiko einer Präsenz-Veranstaltung bisher scheute, weil er nicht sicher war, ob sein Thema genügend Interessenten findet, kann mit einer virtuellen Konferenz einen ersten Aufschlag wagen. Die Akzeptanz für dieses Format ist ganz bestimmt gegeben.

Ich möchte noch darauf hinweisen, dass Video-Konferenzen (wie alle Ereignisse im Internet) sicherheitskritisch evaluiert werden sollten. Die Plattform Zoom steht wegen ihrer Popularität diesbezüglich unter der Beobachtung durch Fachmedien und hat in kurzer Zeit mehrere Nachbesserungen und Updates ausgespielt. Da Konferenzen und Barcamps naturgemäß keine Privatveranstaltungen sind, empfehle ich jedem Host die entsprechenden AVV mit den Plattformbetreibern abzuschließen.

UPDATE 07.04.20: Um unerwünschte Besucher zu verhindern, die durch das Erraten der Meeting-ID in Videokonferenzen auftauchen konnten, hat Zoom jetzt einen verpflichtenden Passwortschutz beim Einrichten der Meetings eingeführt. Früher waren Passwörter optional. Außerdem brauchen Teilnehmer einen Account bei Zoom. Als Default-Einstellung ist jetzt auch der so genannte Warteraum für jedes Meeting aktiviert. Session-Hosts virtueller Barcamps sollten diese Funktion vor ihrer Session deaktivieren, weil Teilnehmer beim typischen Springen von Session zu Session sonst immer in Warteräumen landen und der Session-Host vor lauter „Reinlassen“ kaum noch zur Präsentation seiner Session kommt. Alternativ kann die Einlasskontrolle allerdings einem Co-Host übertragen werden, der auch gleich die Moderationsaufgaben wie das Muten von störenden Teilnehmer-Mikros übernimmt.