Bei der vorliegenden Publikation „Psychologie der digitalen Kommunikation“ der beiden Autoren Matthias Johannes Bauer und Tim Müßle handelt es sich um ein Lehrbuch. Es ist am 2. April 2020 in der Reihe Wirtschafts- und Sozialpsychologie im utzverlag erschienen.

Die Autoren gehen aus medienpsychologischer Sicht der Frage nach, was digitale Kommunikation mit uns Menschen macht, aber auch, welche Handlungsmöglichkeiten zur professionellen digitalen Kommunikation zur Verfügung stehen. Anhand psychologischer Konzepte leiten sie die Gründe für Konflikte und positive Möglichkeiten her, die sich oftmals in der Kommunikation via Messenger, E-Mail, Social-Media-Postings, Blog-Artikeln und vielen weiteren digitalen Kanälen ergeben.

Aufbau und Inhalt

Wie es sich für ein wissenschaftliches Lehrbuch gehört, werden im ersten Kapitel zunächst die zugrundeliegenden Begriffe bestimmt. Die digitale Kommunikation wird in Abgrenzung zur analogen Kommunikation definiert sowie die Bedeutung von Wirkungszusammenhängen erläutert.

Anschließend geben die Autoren in den beiden folgenden Kapiteln einen Überblick über die psychologischen Wirkungen digitaler Kommunikationskanäle. In thematisch eingeteilten Unterkapiteln geht es um die Einflüsse unterschiedlichster Online-Medien auf den Nutzer. Es wird anhand psychologischer Konzepte dargestellt, durch welche Vorgänge zum Beispiel aggressives Verhalten in Hasskommentaren entsteht oder auch prosoziales Verhalten. Weitere Themen sind die Einflüsse von Suchmaschinen auf die kognitive Verarbeitung von Informationen und die Entstehung und Auswirkung von Filterblasen. Der Leser erfährt, was Gruppenzugehörigkeit und Deindividuation mit Hate Speech zu tun haben, sowie etwas über die Inszenierung in sozialen Medien (Impression Management), Gamification, Chatbots und einige weitere Wirkungszusammenhänge.

Alle beschriebenen Aspekte werden anhand wissenschaftlich fundierter Theorien und Konzepte erläutert. Die Autoren stellen Bezüge zu vielen relevanten digitalen Kanälen von Messenger Apps über Blog-Artikel und E-Learning-Angeboten bis hin zu Social Media her. Einige aktuelle sowie fiktive Beispiele in Text und Bild tragen zu einer anschaulichen Darstellung bei, die dadurch nicht zu theoretisch bleibt.

Eines dieser Beispiele findet der Leser im Kapitel über die Grenzen und Fehlerquellen digitaler Kommunikation. Dort wird auf Basis des konstruktivistischen Konzeptes verdeutlicht, warum es selbst für seriöse Online-Redaktionen kaum möglich ist, hundertprozentig objektiv zu sein, was Intersubjektivität ist und wieso das zu Framing führt. Ein recht aktuelles Beispiel aus zwei realen Online-Medien wird dazu analysiert und ausführlich gegenüber gestellt.

Die Gliederung sieht eine Trennung der beiden mittleren Kapitel auf der einen Seite in Wirkungen digitaler Kanäle auf Kommunikation und auf der anderen Seite in Verarbeitungsprozesse von Informationen über digitale Kanäle vor. Das erscheint zunächst rein akademisch willkürlich und kann das Leseverständnis stören, wenn der Leser eher von der praktisch-thematischen Seite ausgeht. Es führt dazu, dass sich inhaltlich Themen wie die Entstehung von Filterblasen und viele andere wiederholen, wie die Querverweise auf andere Kapitel belegen. Die Gliederung geht jedoch vom theoretischen Ansatz aus. Für eine Einteilung in einzelne Konzepte und Modelle ist diese Art der Struktur dann durchaus sinnvoll und trägt dazu bei, dass sie einen Überblick über Theorien zu Wirkungen von digitalen Kanälen liefert.

Der letzte Teil des Lehrbuchs befasst sich mit den Handlungsmöglichkeiten, um digitale Kommunikation zielgerichteter und damit professioneller zu gestalten. Auf der Basis medien- und kommunikationspsychologischer Wirkungsforschung stellen die Autoren die Konzepte Kommunikationskompetenz und Medienkompetenz ausführlich vor. Das letzte Kapitel beschreibt, mit Hilfe welcher Grundlagen Kommunikation in digitalen Kanälen gelingen kann.

Stellungnahme und Fazit

Dieses Lehrbuch enthält das, was der Titel verspricht: Psychologie der digitalen Kommunikation. Wissenschaftlich fundiert, aber gut verständlich werden sozial- und medienpsychologische Konzepte im jeweiligen thematischen Kontext dargestellt. Die fiktiven und realen Beispiele, Abbildungen und Schaubilder ordnen die Theorien in einen Praxisbezug ein, wodurch viele Aha-Effekte beim Leser entstehen.

Obwohl zahlreiche aktuelle Praxisbezüge enthalten sind, ist das Werk kein Praxisleitfaden, der eine Anleitung für Marketer oder Social Media Manager bereitstellt. Das will es auch gar nicht sein, wie in der Einleitung formuliert ist: „Dieses Buch will einen zusammengefassten Überblick über die wesentlichen Wirkungen digitaler Kanäle auf die zwischenmenschliche Kommunikation geben (…)“. Diesen Überblick liefern die Autoren, wie ich oben bereits gezeigt hatte.

Denn wer die Zusammenhänge von Wirkungen digitaler Kommunikation kennt und versteht, kann bewusster und effizienter kommunizieren. Da dies unerlässlich in professionellen Kommunikationsberufen ist, empfiehlt sich das Lehrbuch als solide Basis für das tiefergehende Verständnis von digitaler Kommunikation zusätzlich zu den einschlägigen Praxisleitfäden, die dort anknüpfen, wo dieses Buch endet. Zu empfehlen ist das Werk aber auch Studierenden entsprechender Fachrichtungen und Interessierten, die beruflich häufig digitale Kommunikationskanäle nutzen. Es bietet einen sehr guten Überblick über die Grundlagen der Psychologie der digitalen Kommunikation.

Die Autoren:
Prof. Dr. Matthias Johannes Bauer, volontierter Journalist, Germanist und Wirtschaftswissenschaftler, leitet den Masterstudiengang Kommunikationsmanagement an der IST-Hochschule für Management in Düsseldorf. Zu seinen Lehr- und Forschungsschwerpunkten gehören unter anderem digitale Kommunikation und Wirtschaftspsychologie.

Dipl.-Journ. Tim Müßle ist als freier Journalist für verschiedene Tageszeitungen, Magazine und Zeitschriften tätig. Er ist Dozent an der IST-Hochschule für Management in Düsseldorf und unterrichtet unter anderem Kommunikationspsychologie und digitale Medien.

Die Rezension bezieht sich auf folgende Ausgabe:
Bauer, Matthias Johannes / Müßle, Tim (2020): Psychologie der digitalen Kommunikation, München: utzverlag. ISBN 978-3-8316-4836-8. EUR 39.99


Transparenzhinweis: Einer der Autoren, Tim Müßle, hat hier in diesem Blog Beiträge veröffentlicht. Er hat uns ein kostenloses Rezensionsexemplar seines Buches zur Verfügung gestellt.