Mittelstand, das sind gut frisierte ältere Herren mit Binder, die im vergangenen Jahrhundert sehr erfolgreich waren und sich deshalb bequem dort eingerichtet haben. Den Anschluss an die Industrie 4.0 und den digitalen Wandel verpassen sie derweil.

Das ist das Bild, das unter Kreativen und Internetdienstleistern weit verbreitet ist und das viele Kommunikationsberater bestätigen können. Einer davon ist Marco Petracca, der mit seiner Session „Online? Bringt uns nichts! – Ein deprimierender Lagebericht aus den Chefbüros deutscher Industrieunternehmen“ auf dem Kongress re:publica in Berlin von seinem Berater-Alltag bei Mittelständlern berichtete.

Diese digitale Abstinenz hat ihre Gründe nicht darin, dass lediglich ein Viertel der deutschen Gewerbegebiete mit schnellem Internet versorgt werden. Die technischen Einschränkungen sind auf die eine oder andere Weise zu lösen. Es fehlt viel mehr am Bewusstsein der Unternehmen, dass das, was sie täglich schaffen und erleben, kommuniziert werden muss, um Interessenten zu gewinnen und Kunden zu binden. Petracca sieht bei seinen Klienten, die mit ihren Produkten Markt- oder sogar Weltmarktführer sind, Begeisterung und Leidenschaft, die in der Unternehmenskommunikation aber überhaupt keinen Niederschlag finden.

Das Leuchten in den Augen kommunizieren

Meine Erfahrungen mit dem produzierenden Mittelstand decken sich damit. Ich kenne diese Ingenieure und Techniker, die mit einem Leuchten in den Augen von ihren Produkten und Ideen schwärmen und stolz berichten, wie sie Probleme lösen und die verwegensten Kundenwünsche realisieren. Dass diese Erfahrungen und Anekdoten bestes Futter für die Unternehmenskommunikation sind, das weiß hingegen kaum jemand. Die Erfolgsgeschichten aus der sauerländischen Provinz gehören ins Internet, denn sie schaffen eine starke emotionale Verbindung zwischen dem deutschen Mittelstand und seinen Kunden in aller Welt. Ob das auf der Homepage des Unternehmens geschieht oder in Foren und Social-Media-Kanälen, ist dabei eine Frage von Ressourcen und Kompetenzen.

Ist die Zeit gut frisierter älterer Herren also vorbei? Selbstverständlich nicht: Wenn die digitale Firmenkommunikation neue Interessenten und Kontakte bringt, schlägt die Stunde der erfahrenen Unternehmer, die mit Stil und Klasse das Geschäft abschließen. Alte Schule und digitale Kommunikation sind kein Gegensatz, sie sind das Team der Champions.


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