Im Folgenden geht es um die Frage politischer Stellungnahmen im Rahmen der Corporate Communication. Tut das Not? Ich möchte mich dem über zwei Wege nähern:

  • Corporate Compliance
  • Politik, Medien und Gesellschaft 2020

Corporate Compliance bedeutet nicht nur Regel- und Gesetzeskonformität, sondern auch eine entsprechende Lernbereitschaft. Es geht nicht nur um Einhaltung bestehender Regeln (Legal Compliance), sondern auch um Sanktionierung und vorbeugende Maßnahmen. Für Strategie und Umsetzung richtet man ein Compliance Management System (CMS) ein, das am besten alle Unternehmensbereiche abdeckt.

Zu den geläufigsten Teilbereichen gehören Financial Compliance – Maßnahmen gegen Steuerhinterziehung, Korruption, Geldwäscherei etc. – sowie Controlling Compliance – die Kontrolle der Kontrolleure, speziell im Rechnungswesen. IT-Compliance umfasst nicht nur Datenschutz und Datensicherheit, sondern auch Informationssicherheit und Betriebsspionage.

Nach innen hat Compliance zwar auch eine Image bildende Funktion, jedoch geht es mehr um den Schutz des Unternehmens vor kriminellen Mitarbeitern. Nach außen soll Corporate Compliance eher Antworten auf eine der drei Leitfragen für die Unternehmenskommunikation geben: Wie wollen wir wahrgenommen werden? Die anderen beiden beziehen sich mehr auf Zielgruppen / Stakeholder: Wen interessiert, was wir machen? Wer muss wissen, dass es uns gibt und was wir machen?

Compliance per Gesetz

Das Thema wird aktuell auf eine neue Bedeutungsstufe gehoben. Für 2022 ist die Verabschiedung eines Verbandssanktionengesetzes (VerSanG) geplant. Ein Kernelement wird sein, dass nicht nur Verantwortliche in einer Firma, sondern auch Unternehmen selbst strafrechtlich in die Pflicht genommen werden können. So soll der Kampf gegen die Wirtschaftskriminalität unterstützt werden.

Außerdem soll das Gesetz bei strafrechtlich relevanten Taten eines Verbands solche Mitgliedsunternehmen positiv berücksichtigen, die nachweislich Wert auf Compliance legen und auf entsprechend zuwiderlaufende Aktionen des Verbands kritisch hinweisen.
Oh, da höre ich die Ersten schon wieder „Blockwart“ oder „Denunziantentum“ schreien. Aber die Mentalität „Loyalität vor Rechtsstaatlichkeit“ ist ein Relikt aus dem Neo-Liberalismus. Sie gehört aus meiner Sicht nicht erst seit immer wieder neu entdeckten Abgasmanipulationen oder Cum-ex Geschäften auf den Müllhaufen der Gesellschaft.

Social Compliance, die Büchse der Pandora?

Auch Social Compliance gehört zur Corporate Compliance. Und hier wird besonders schnell klar, warum sich manche Unternehmen dahingehend zieren. Social Compliance beinhaltet nicht nur etwa faire Bedingungen für die eigenen Angestellten. Auch Fragen des Umweltschutzes, des Tierschutzes sowie entsprechende Verantwortung für Unternehmen der gesamten Lieferkette gehören dazu. Ein seit Jahren diskutiertes Lieferkettengesetz wird von Wirtschaftsminister Peter Altmaier konsequent blockiert. Er fürchtet Nachteile für deutsche Unternehmen im internationalen Wettbewerb. Mit einem Verbandssanktionengesetz könnte dieser Widerstand endlich ausgehebelt werden.

Social Compliance ist zwar nur einer von mehreren Teilbereichen, doch deren Abgrenzungen untereinander haben in erster Linie praktische und organisatorische Gründe. Nachhaltig wirksam sind sie nur im umfassenden Zusammenspiel. Und besonders Aspekte der Social Compliance werden schnell Thema öffentlicher Berichterstattungen, denn sie bieten attraktive Nachrichtenwerte. Im Umkehrschluss eignen sie sich also auch gut für die aktive Unternehmenskommunikation. Gesprochen wird sowieso über Dich – entscheide, ob Du mitsprechen möchtest oder nicht.

Ein vielbeachtetes Beispiel für ein Unternehmen, das seine Social Compliance sehr aktiv im Unternehmensblog kommuniziert, ist die GLS Bank.

Die Wirklichkeit der Medien bestimmt den Kurs

Spätestens seit Social Media wissen wir gesichert, dass auch viele Verbraucher, Partner und Mitarbeiter, also äußerst relevante Stakeholder eines Unternehmens sich dafür interessieren, wie es um dessen Rechtschaffenheit bestellt ist. Compliance ist ein guter Indikator für das unternehmerische Selbstverständnis von Verantwortung gegenüber der Gesellschaft.

Vergegenwärtigen wir uns: Internet und Social Media haben innerhalb weniger Jahre das Zusammenleben der Menschen weltweit verändert und neu ausgerichtet. Wirtschaft, Politik, Kultur, Mediennutzung, gesellschaftliche Entwicklungen müssen sich vor diesem Hintergrund generell neu definieren. Und der Wandel ist nicht erst angelaufen, er ist in einigen Bereichen schon ziemlich fortgeschritten. Verlage und Rundfunkanstalten sind nur noch ein Teilnehmer im öffentlichen Media-Mix. Über Social Media entwickeln sich Dynamiken, die mittlerweile unbegrenzt und wesentlich nachhaltiger funktionieren können, als es redaktionelle Medien noch vermögen.

Dazu haben sich neue Situationen herausgebildet, die wir in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland quantitativ und quantitativ so noch nicht hatten. Hierzu zähle ich besonders das Auseinanderdriften relevanter politischer Strömungen bis weit außerhalb des demokratischen Spektrums. Die AfD ist im Bundestag zur Zeit stärkste Oppositionspartei, stärker als jeweils Grüne, Linke und FDP. Faschismus und Rassismus (einschließlich Antisemitismus) sind wie nie zuvor seit 1948 unter dem Label „Meinungsfreiheit“ wieder offen hingenommene Haltungen. Ebenfalls dazu zähle ich die globale Corona-Pandemie und die Reaktionen von Politik, Wirtschaft und jedem einzelnen Menschen darauf.

Allein diese Aspekte verdeutlichen, dass und wie Menschen hierzulande neu für sich Themen von Interesse definieren. Das alles ist auch Politik – in der Definition: Angelegenheiten das Gemeinwesen wie den Einzelnen betreffend.

Unternehmenskommunikation ohne Politik wird irrelevant

Sport und Politik sowie Kultur und Politik aber auch Unternehmen und Politik – nichts davon lässt sich mehr trennen. Und dann soll es 2020 noch ein Grundprinzip sein, Unternehmenskommunikation von Politik zu trennen? Das scheint mir sehr kurzsichtig.

Im Gegenteil, ich behaupte sogar, die versuchte Trennung von Unternehmenskommunikation und Politik schwächt unsere demokratisch geprägte Gesellschaft. Warum? Nehmen wir das Beispiel des in allen sozialen- und wirtschaftlichen Schichten etablierten Rechtsradikalismus. Die AfD ist nach wie vor überall relativ fest in politischen Gremien vertreten. Gesellschaftlich und wirtschaftlich bietet man ihnen fast überall noch ein Zuhause und eine Zukunft. Legitimiert wird das durch stereotype Aussagen wie:

  • Ja, der ist AfDler aber das ist unser Kunde und der ist wichtig.
  • Ja, die ist aktiv bei Pegida aber so privat ist die ganz nett – bringt auch immer Plätzchen mit und ist so nett zu den Kindern.
  • Ja, der Kollege ist ein offener Rassist aber im Betrieb, bei der Arbeit lassen wir sowas außen vor. Man muss ja nicht immer gleich so hysterisch werden.
  • Ja, aber die gehören zur Nachbarschaft – da laden wir die natürlich auch ein.
  • Ja, aber man kann die ja nicht alle über einen Kamm scheren (nur weil sie alle eine eindeutig antidemokratische und rassistische Partei wählen oder ihr angehören) etc.

Mit dem Irrglauben, wir hielten uns so aus der persönlichen politischen Verantwortung raus, bewirken wir genau das Gegenteil. Damit manifestieren wir rassistisches und unmissverständlich antidemokratisches Gedankengut mitten unter uns. So gut wie jeder hat jemanden, bei dem man eine Ausnahme machen und nicht gleich so pauschal urteilen sollte. Ist klar, wohin das läuft und neu ist es auch nicht. Allerdings wird man das auch nie ganz abstellen können. Es ist menschlich, es berührt Grundsätze unseres Sozialverhaltens. Es wäre utopisch, diese grundlegend ändern zu wollen.

Zwischen Bequemlichkeit und Angst vor Auftragsverlust

Aber was hält Unternehmen davon ab, nicht selbst aktiv und im Rahmen ihrer Compliance, immer wieder und möglichst glaubwürdig, solche Themen aufzugreifen damit klare Zeichen zu setzen? Was hält Unternehmen davon ab, sich auch auf eigenen Kanälen, offensiv und ungefragt zu demokratischen Werten oder zur Untrennbarkeit von Freiheit und Verantwortung zu bekennen? Was hält ein Unternehmen davon ab etwa Rassismus oder Sexismus am Arbeitsplatz in einer Serie von Blogartikeln zu thematisieren?

Vielleicht das Gleiche, was Unternehmen davon abhält, offen auch über Dinge wie Mobbing zu kommunizieren. Dazu zählen in meiner Wahrnehmung: Bequemlichkeit, Vermeidung von Stress und Unruhe innerhalb und außerhalb der Firma – aber auch Auftragsverluste, Einnahmeverluste, Verlust von Werbe- und Anzeigenpartnern usw.

Selbstverständlich gibt es einige Gründe, die Unternehmen davon abhalten, bestimmte politische Themen in der Kommunikation nach außen zuzulassen, um beispielsweise auch die Belegschaft zu schützen. So einfach ist es sicher nicht. Aber eine grundsätzliche Verweigerung scheint mir kein dauerhaftes Rezept.

Praktische Ansätze für Politik in der Unternehmenskommunikation

  • Eine auf offensive und transparente Kommunikation ausgerichtete Corporate Compliance unter ausdrücklicher Berücksichtigung der Social Compliance etablieren. Ein bereits bestehendes, umfassendes Kommunikationskonzept in den Unternehmen setze ich mal voraus. Denn wenn man da erst noch ansetzen muss, gibt es weitaus größere Probleme …
  • Sofern nicht schon vorhanden: Ergänzung der Leitlinien und Leitsätze im Kommunikationskonzept um Prinzipien betreffend grundsätzliche gesellschaftliche und politische Werte.
  • Einrichtung einer auch aktiv kommunizierenden Schnittstelle, über die alle Menschen Gelegenheit haben, unter anderem mehr über die Corporate Compliance des Unternehmens zu erfahren und in den Dialog miteinander und mit dem Unternehmen zu treten. Das ist ja per sé nicht erst seit Social Media möglich. Früher nannte man das zum Beispiel auch „Forum“.

Unternehmensblogs halte ich dahingehend als zentralen Bestandteil für sehr geeignet, sofern sie auf Dialog ausgelegt sind und dazu mit einer Kommentarfunktion einladen.


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